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Titel
Transnational Nazism. Ideology and Culture in German-Japanese Relations, 1919–1936


Autor(en)
Law, Ricky W.
Reihe
Publications of the German Historical Institute
Erschienen
Anzahl Seiten
XV, 343 S.
Preis
£ 90.00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Hedinger, Historisches Seminar, Ludwig-Maximilians-Universität München

Die momentane Krise westlicher Demokratien hat uns die Zwischenkriegszeit mit ihren Krisen und Katastrophen erneut vergegenwärtigt. Ab den frühen Dreißigerjahren und für gut ein Jahrzehnt waren die Achsenmächte die primären Profiteure des von ihnen verursachten Chaos. Transnational Nazism kommt so gesehen gerade rechtzeitig, widmet es sich doch der Vorgeschichte des Bündnisses: Ricky W. Laws Buch beschreibt die deutsch-japanischen Kulturbeziehungen zwischen 1919 und 1936, dem Jahr als die Allianz mit dem Antikominternpakt Kontur annahm. Damit füllt es eine Forschungslücke. Denn obwohl die Achse Berlin – Tokio – Rom die Welt in den Krieg gestürzt hat, ist ihre geteilte Geschichte schlecht erforscht. Zwei Entwicklungen erklären wieso: Einerseits etablierten sich kurz nach Kriegsende in allen drei Ländern singularisierende Narrative bezüglich der jüngsten Vergangenheit der Nation. Bis heute haben wir es deshalb mit dreien der wohl am stärksten nationalisierten Historiografien überhaupt zu tun. Andererseits haben die wenigen Studien, die sich dennoch des Themas annahmen, die Achse kleingeschrieben – etwa als „hohle Allianz“, „Scheinbündnis“, „Sandburg“ oder „kraftlose, internationale Grimasse“.1 Für die deutsch-japanische Geschichte der Zwischenkriegszeit war daher nirgends wirklich Platz.

Transnational Nazism beeindruckt durch fundierte Quellenarbeit. Laut des Verlags, Cambridge University Press, ist es die „erste Studie der deutsch-japanischen Beziehungen der Zwischenkriegszeit, die Quellen in beiden Sprachen benutzt“. Das ist nicht ganz zutreffend, liegen doch zumindest auf Deutsch oder Japanisch schon länger Monografien vor, die genau dies tun.2 Die Aussage kann aber auch als eine späte Folge der totalen Niederlage der Achse gelesen werden: Denn weder Deutsch noch Japanisch sind heute Weltsprachen und globale Forschungshierarchien dominieren andere. Wie dem auch sei: Das Innovative an Laws Buch liegt ohnehin woanders. Da ist einerseits der gewählte Untersuchungszeitraum. Denn die Zeit vor dem eigentlichen Bündnis und vor allem die Zwanzigerjahre erfuhren noch weniger Aufmerksamkeit als der Rest der Geschichte der Achse. Andererseits ist da der kulturgeschichtliche Ansatz, der sich vom politikgeschichtlichen Fokus der einschlägigen Literatur absetzt. Das passt gut, denn auch in der Forschung zur Achse Berlin-Rom ließ sich jüngst eine Art Cultural Turn beobachten.3 Aus einer kultur- und mediengeschichtlichen Perspektive beschreibt Law, wie Nationalisten in Japan und Deutschland während der Dreißigerjahre zu „gegenseitigen Bewunderern“ wurden (S. 1). Diese Bewunderung ist ihm Beleg für einen „transnationalen Nazismus, der es Japan und Deutschland ermöglichte, sich miteinander zu identifizieren und eine binationale Gemeinschaft zu imaginieren, noch bevor die Regierungen das Bündnis schmiedeten“ (S. 1–2). Die mediale Annäherung bildete, so die provokative These, die Basis für die politische Entente. Damit ist das Bündnis für Law ideologisch fundiert und keine pragmatische Scheinehe, wie es die ältere Literatur gesehen hat.

Das Buch ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil blickt von Japan auf Deutschland, der zweite in umgekehrte Richtung. Jeweils vier Unterkapitel fokussieren auf spezifische Medien und decken dabei meist den gesamten Untersuchungszeitraum ab. Die Geschichte der deutsch-japanischen Beziehungen wird dadurch aus überkreuzter Perspektive erzählt, jedoch in Sequenzen und nicht parallel. Auch Technologie und Materialität der Austauschbeziehungen, die in der Zwischenkriegszeit etwa in der Luftfahrt, Telekommunikation aber auch Filmtechnik schnellem Wandel unterworfen waren, werden gekonnt mitreflektiert.

Der erste Teil belegt, wie groß und konstant das japanische Interesse an den Vorgängen im Reich war. Er beginnt mit der Analyse der Berichterstattung in Tageszeitungen. Hier waren es insbesondere einzelne Persönlichkeiten, die im Zentrum des Interesses standen. Zunächst Wilhelm II.: Der ehemalige Kaiser, sein Schicksal und insbesondere die Frage nach der Möglichkeit eines politischen Comebacks beschäftigte die japanischen Zeitungen geradezu „obsessiv“ (S. 36). Nachdem solche Spekulationen im Laufe der Zwanzigerjahre sich verflüchtigt hatten, verschob sich der Fokus auf Hindenburg und letztendlich Hitler. Auch die zwei folgenden Kapitel, die sich Vorträge, Pamphlete und Sachbücher anschauen, belegen eine große Anteilnahme auf japanischer Seite. Dabei dominierte in den ersten Jahren der Nachkriegszeit die Frage, welche Lehren das Kaiserreich aus der deutschen Niederlage ziehen könne. Eine politische Annäherung, gar ein Bündnis, war zu dem Zeitpunkt noch in weiter Ferne. Das vierte und abschließende Kapitel des Teils ist einem unerwarteten Medium gewidmet – Sprachlernbücher. Law betont hier, dass nach 1933 auffällig häufig die „neue Ordnung“ der NS-Diktatur gleichsam zu grammatikalischen Lernbeispielen mutierte (S. 163).

Dabei zeigt sich: Mit den Wahlerfolgen der Nationalsozialisten stieg in Japan zu Beginn der Dreißigerjahre das Interesse an der NSDAP und ihrem Führer sprunghaft an. Zu diesem Zeitpunkt hatte sich mit Adorufu Hitorā auch längst eine Standardumschrift des Namens des Führers durchgesetzt. In den vorherigen Jahrzehnten, als das Interesse für den gescheiterten Putschisten klein gewesen war, hatten noch zahlreiche Versionen kursiert (S. 49). Doch 1931 erschien die erste Hitlerbiografie, im Jahr darauf die Erstübersetzung von Mein Kampf. Japanische Leser konnten sich damit besser als so mancher europäischer Nachbar über den Aufstieg und die Ziele der NSDAP informieren. Offensichtlich wurde der Führer selbst in Japan zu einem Verkaufsargument: Momo Minosuke etwa, der wahrscheinlich erste Japaner, der Hitler persönlich traf, konnte aus einer kurzen Begegnung im September 1930 Kapital schlagen. Nach seiner Rückkehr begab sich Momo auf eine erfolgreiche Vortragsreise durch Japan. Etwas sticht dabei ins Auge: Sympathien oder gar Solidaritätsbekundungen für die sich im Todeskampf befindende Weimarer Republik sucht man in den japanischen Medien vergebens. Vielmehr nutzten Meinungsmacher, so Law, die noch vorhandenen liberalen Spielräume in Japan, um den Aufstieg der Diktatur in Deutschland zu feiern.

Der zweite Teil beschreibt deutsche Perspektiven auf das Kaiserreich. Hier sind wiederum Zeitungen und Sachliteratur je ein Kapitel gewidmet, daneben geht es aber auch um andere Medien, etwa Filme und Wochenschauen. Das veränderte mediale Ensemble liegt in einer asymmetrischen Perzeption begründet: Mit Vorträgen oder Pamphleten zu innenpolitischen Turbulenzen in Japan ließ sich im Reich offensichtlich weder Geld noch Politik machen; ebenso wenig mit Sprachlernbüchern, denn Japanisch beherrschten in der Zwischenkriegszeit höchstens ein paar Dutzend Deutsche. Daraus resultierte in Deutschland eine im Vergleich zu Japan weit weniger detaillierte und differenzierte Wahrnehmung des künftigen Partners. Hier ist ein Paradox, das die spätere Bündnisgeschichte mitprägte, unübersehbar: Japan war von Deutschland aus gesehen wesentlich weiter entfernt, als es umgekehrt der Fall war. Angesichts dieser Distanzen ergab sich auf deutscher Seite einerseits ein stark essenzialistisches Bild japanischer Kultur, das gerne auf „klassische“ Figuren wie dem Samurai und der Geisha setzte. Andererseits intensivierte sich in gewissen Momenten die Beschäftigung mit Japan schlagartig. Auf die Front der Zeitungen schaffte es das Kaiserreich schließlich nicht mit einer idealisierten Vergangenheit, sondern mit der blutigen Gegenwart im Zuge der „Mandschureikrise“. Gerade angesichts der ersten Schlacht um Schanghai Anfang 1932 und Japans Austritt aus dem Völkerbund genau ein Jahr später wurde einem deutschen Kinopublikum erstmals vor Augen geführt, wie andere die Nachkriegsordnung militärisch überwanden und international Tatsachen schufen. Die Kämpfe im Fernen Osten fanden dabei gleichsam Übertragung nach Deutschland: Während die Linke Sympathien für die chinesische Republik hegte, bewunderten die Rechten Japans imperiale Expansion. Die Folge war eine nachhaltige Politisierung des Japanbildes, was in den letzten Tagen der Weimarer Republik gar in Protestmärschen und Straßenschlachten in Berlin Ausdruck fand.

Angesichts seiner provokativen Thesen wirft Transnational Nazism eine ganze Reihe von Fragen auf. Von der Reichweite her sprengen sie wohl den Rahmen einer einzelnen Monografie. Doch gerade im Hinblick auf eine Globalgeschichte des Faschismus, aber auch auf die Ursprünge des Zweiten Weltkriegs sind sie diskussionswürdig. Erstens in Bezug auf die Genese der Achse: Die zentrale These von Laws Buch lautet, dass mediale Austauschbeziehungen zwischen den beiden Ländern das Bündnis antizipiert und dabei gleichsam den Weg zu ihm geebnet hätten. Transnationalen Nazismus sieht er als ein Resultat von „Worten und Aktivitäten der Zivilgesellschaft“ (S. 2). Hier deutet sich in Konturen die Vorstellung einer „Allianz von unten“ an, die viel breiter als bisher gedacht abgestützt war und der politisch-militärischen „Entente von oben“ vorauseilte. An sich ist das alles höchst interessant, bleibt aber wenig ausgeführt. Denn gerade für das nationalsozialistische Deutschland nach 1933 folgt daraus eine ganze Kaskade von Fragen. Denn die Idee einer zivilgesellschaftlichen Agitation von unten widerspricht den gängigen Vorstellungen von Herrschaftsstrukturen und Entscheidungsprozessen im Reich. Könnte es sein, dass das Bündnis dem Führer, um Ian Kershaw zu paraphrasieren, gleichsam „entgegen-“ oder vielleicht besser noch „zugeschrieben“ worden war? Um dies zu beantworten, bräuchte es aber mehr als einige Zeitungsartikel und mediale Bekundungen. Vielmehr müssten kulturgeschichtlichen Perspektiven systematisch in die klassische Politikgeschichte integriert werden.

Zweitens wirft das abrupte Ende des Buches Fragen auf: Was kommt nach 1936? Lassen sich Laws Befunde auf die Jahre des eigentlichen Bündnisses übertragen? Für die Zeit vor dem Antikominternpakt wird aus kulturgeschichtlicher Perspektive die ideologische Affinität beider Länder betont. Für die Jahre danach deutet Law an, dass die Distanzen zwischen den Partnern nicht etwa schrumpften, vielmehr hätten anhaltende Differenzen und Distanzen die Zusammenarbeit erst ermöglicht (S. 293, S. 296). Die Vorstellung, dass Japan und Deutschland das Bündnis nicht wirklich vollzogen und auf Distanz blieben, entspricht der klassischen Lesart. Kurz: Für die Zeit vor 1936 impliziert Laws Buch eine radikal neue Interpretation der Geschichte der deutsch-japanischen Beziehungen, für die Zeit danach jedoch die Herkömmliche.

Drittens wirft das titelgebende Schlagwort, Transnational Nazism, mehr Fragen auf, als es Antworten gibt. Auch weil die ideologische Komponente des Bündnisses letztendlich vage und untertheoretisiert bleibt. Das Buch setzt bewusst auf einen asymmetrischen Vergleich (S. 17). Das Problem dabei ist, dass diese Asymmetrie sowohl Resultat als auch Prämisse ist. Dadurch wird die ideologische Komponente ganz im Reich verordnet. Japan wird zum willigen Empfänger nationalsozialistischer Ideologie, während die deutsche Seite „bestimmte, wer in ihre Weltanschauung integriert“ wurde (S. 301). Die Beeinflussung a priori zu vereinseitigen, ist jedoch problematisch. Und gerade für den hier untersuchten Zeitraum passt die passive Rolle nur schlecht zum japanischen Kaiserreich. Denn die Überwindung der Nachkriegsordnung begann in Ostasien und für einige Jahre war Japan seinen späteren europäischen Partnern ganz offensichtlich weit enteilt. Die Implikationen solcher Befunde, umgeht Law aber, indem er den Einfluss von vornherein vereinseitigt.

Damit verbunden schließt das Schlagwort auch den dritten im Bunde, Italien, kategorisch aus. Doch gerade im Untersuchungszeitraum entwickelte der italienische Faschismus seine größte Strahlkraft – in Bezug auf die Geschichte der NSDAP vor 1933 sind solche Prozesse mittlerweile gut belegt. Doch auch in Japan genoss das „italienische Modell“ vorübergehend mindestens ebenso viel Zustimmung wie das Deutsche. Insgesamt aber fiel Japans Adoption westlicher Faschismen sowieso höchst selektiv aus. Daraus lässt sich aber nicht so einfach auf das dortige Scheitern des Faschismus schließen (S. 12). Vielmehr machte die Betonung des genuin Eigenen, faschistische Mittler in Japan wie anderswo auch erst zu guten Faschisten. Eine im Entstehen begriffene Globalgeschichte des Faschismus hat daher vermehrt Hybridisierungen, Relokalisierungen und wechselseitige Gravitation zu untersuchen begonnen. Herkömmliche Vorstellungen von Zentrum und Peripherie, europäischem Original und außereuropäischer Kopie, die lange die vergleichende Faschismusforschung prägten, werden dadurch verstärkt hinterfragt. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Geschichte der Achse nicht so einfach auf eine bilaterale und gleichzeitig asymmetrische Rezeptionsgeschichte reduzieren. So aber bleiben letztendlich gerade transnationale Aspekte faschistischer Ideologien in Transnational Nazism, trotz oder gerade wegen der titelgebenden Begrifflichkeit, unterbeleuchtet.

Anmerkungen:
1 Johanna Menzel Meskill, Hitler and Japan. The Hollow Alliance, New York 1966; Bernd Martin, Der Schein des Bündnisses. Deutschland und Japan im Krieg (1940–1945), in: Gerhard Krebs / Bernd Martin (Hrsg.), Formierung und Fall der Achse Berlin-Tokyo, München 1994, S. 27–53; Richard L. DiNardo, Axis Coalition Building, in: Daniel M. Du Bois / Thomas W. Zeiler (Hrsg.), A Companion to World War II, Chichester 2013, S. 405–414, S. 413; Theo Sommer, Deutschland und Japan zwischen den Mächten 1935–1940, Tübingen 1962, S. 449.
2 Miyake Masaki, Nichi-Doku-I sangoku dōmei no kenkyū [Studien zum Dreimächtepakt], Tokio 1975; Gerhard Krebs, Japans Deutschlandpolitik 1935–1941. Eine Studie zur Vorgeschichte des Pazifischen Krieges, Hamburg 1984; Nobuo Tajima, Nachizumu kyokutō senryaku. Nichi-Doku bōkyō kyōtei o meguru chōhōsen [Die Ostasienstrategie der Nationalsozialisten. Der Spionagekrieg um den Antikominterpakt], Tokio 1997; Christian W. Spang / Rolf-Harald Wippich (Hrsg.), Japanese-German Relations, 1895–1945. War, Diplomacy and Public Opinion, London 2006; Akira Kudo / Erich Pauer / Nobuo Tajima (Hrsg.), Japan and Germany. Two Latecomers to the World Stage, 1890–1945, 3 Bände, Folkestone 2009.
3 Benjamin G. Martin, The Nazi-Fascist New Order for European Culture, Cambridge, Mass. 2016.

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